Dr. Schmotzer bei der Visite mit der Patientin Bal Nisa.
© Foto: DAHW

Hoffnung für ausgegrenzte Frauen

Ich bin in meiner monatlichen Sprechstunde im Lepra-Krankenhaus in Balakot im Norden Pakistans, als eine tiefverhüllte Frau aus den Bergdörfern ringsum der Stadt in das Sprechzimmer kommt. Noch kann ich ihr nicht ansehen, weshalb sie hier ist. Umso erschütterter bin ich, als sie ihren breiten Schal, die Duppata, abnimmt: Über beide Wangen und die Nase erstreckt sich eine schlimme Verletzung der Haut.

Bal Nisa, so heißt die Patientin, berichtet zunächst erstaunlich abgeklärt, wie es zu dieser großen Hautschädigung gekommen ist – vielleicht hat sie sich schon daran gewöhnt denke ich so für mich. »Zunächst war es nur ein kleiner roter Fleck und ich dachte, das geht wieder weg«, erzählt sie mir, »doch dann wurde die Wunde immer größer! Und jetzt weiß ich nicht, ob ich jemals wieder gesund aussehen werde.« Während sie das sagt, spüre ich dann doch ihre tiefe Verzweiflung.

Verschiedenste Hausmittel hat Bal Nisa ausprobiert – und lange ausgehalten. Erst jetzt hat sie den langen Weg aus ihrem kleinen Bergdorf in die Stadt gewagt. Denn der Leidensdruck der fortschreitenden Krankheit ist nun größer als die Furcht vor dem Fremden, dem Trubel im Stadtgebiet. Und obwohl ich aus einer komplett anderen Welt stamme, fasst sie schnell Vertrauen zu mir und – zum ersten Mal seit Langem – auch neue Hoffnung.

Zunächst muss sie aber ins Krankenhaus in der nächstgrößeren Stadt. Nur dort kann ich die notwendigen Untersuchungen machen und genau feststellen, was die Ursache ihrer Wunden ist. Der Sohn, der zu ihrem Schutz mitgekommen ist, starrt mich entgeistert an. Seine Mutter war nie so weit fort und der Weg von den Bergen in diese Stadt war schon so schwer. Aber Bal Nisa blickt mir in die Augen und sagt mit bestimmter Stimme: »Gib mir eine Überweisung, ich werde auf jeden Fall kommen!«

Eine Frau nimmt ihr Schicksal in die Hand
Und tatsächlich sehe ich Bal Nisa ein paar Wochen später im Lepra-Krankenhaus in Rawalpindi wieder. Ich freue mich sehr mit ihr: Nach einem langen stillen Leidensweg nimmt die Frau ihr Schicksal selbst in die Hand. Tapfer erträgt die Patientin auch den chirurgischen Eingriff zur Entnahme einer kleinen Hautprobe. Und auch sonst kommt Bal Nisa wunderbar in der für sie so fremden Welt des großen Krankenhauses zurecht. Die täglichen schmerzhaften Verbandswechsel erträgt sie beherzt und freundet sich sogar mit einigen ihrer Mitpatientinnen an. Fast sieht es so aus, als würde sie den Aufenthalt hier ein wenig genießen – frei und unabhängig von ihrem Dorf und ihrer Familie.

Bal Nisa wird gesund
Inzwischen wissen wir, an welcher Krankheit Bal Nisa leidet: die Infektionskrankheit Leishmaniose, die in Deutschland eher unter dem Namen Orientbeule bekannt ist. Jetzt endlich kann ich mit der entsprechenden Behandlung mittels Spritzen beginnen und Bal Nisa schließlich versprechen: Es wird alles wieder gut.

Allerdings wird es eine Weile brauchen, bis die verletzte Haut geheilt ist. Doch die Patientin wird wieder gesund werden und sich zeigen können. Und fast genauso wichtig: Bali Nisa wird in ihrem Dorf erzählen, dass diese Krankheit heilbar ist und es sich lohnt, dafür in die weite, fremde Stadt zu gehen. Diese mutige Frau wird so den anderen Frauen in ihrem Heimatort Mut machen und neue Hoffnung geben. Das ist für mich eine schöne Bestätigung meiner Arbeit für die DAHW und macht mich zutiefst dankbar.

Bleiben Sie behütet!
Dr. Chris Schmotzer

Infobox

Was ist Leishmaniose?

  • Die Leishmaniose (in Deutschland bekannt als »Orientbeule«) ist eine Infektionskrankheit, die durch Kleinstlebewesen – Leishmanien – verursacht wird.
  • Übertragen wird sie mit dem Stich der nur 2 mm großen Sandmücke, die in warmen Regionen lebt.
  • Folgen: Erkrankung der Haut, der Schleimhäute oder der inneren Organe. Häufig betroffen sind das Gesicht, die Arme oder Beine.
  • Ohne Therapie hinterlassen die Wunden oft große, entstellende Narben, die zur Ausgrenzung und Diskriminierung der Betroffenen führen.