© Franck Boston / Shutterstock.com
© Franck Boston / Shutterstock.com

Selbstbestimmt leben im Alter – Interview mit Wohnberater

Es gibt sie in vielen Städten: Mobile Wohnberater informieren über neue Wohnformen und den seniorengerechten Umbau von Wohnungen und Häusern.

jetztWIR: Herr Christoph, Sie sind seit 2011 als mobiler Wohnberater des Landes Rheinland-Pfalz unterwegs. Welche Aufgaben hat ein mobiler Wohnberater?

Gerhard Christoph: Die mobilen Wohnberater sollen Anstöße geben, damit die Menschen im Alter eine bessere Wohnqualität erreichen. Wir geben Interessierten einen Überblick über neue Wohnformen. Wir bemühen uns vor Ort um den Aufbau einer Vernetzung und möchten alle Beteiligten für altersgerechtes Bauen und Wohnen sensibilisieren. Dazu gehören die Gemeinden, Baugenossenschaften, Immobilienmakler, aber auch Verbände und Gewerke. Wenn jemand zu uns kommt, vermitteln wir ihn an entsprechende Beratungsstellen weiter. Die Menschen sollen schneller in besondere Wohnformen kommen.

jetztWIR: Braucht man denn im Alter eine andere Wohnung?

Gerhard Christoph: Ja, mit steigendem Alter ändern sich auch die Ansprüche an eine passende Wohnung. Nur wenige Immobilien sind wirklich altengerecht ausgestattet. Und die Bevölkerung wird immer älter. Überlegen Sie nur, wie viele Häuser nur über eine Treppe zu erreichen sind. Die Architektur der Häuser funktioniert im Alter nicht mehr. Meist sind Schlafzimmer und Bad im Obergeschoss, zudem sind die Wohnungen oft im Alter viel zu groß. Außerdem wird der Aktionsraum im Alter immer kleiner, während der Bedarf an Unterstützung steigt.

jetztWIR: Welche Alternativen gibt es für das Wohnen im Alter?

Gerhard Christoph: Es gibt eine breite Palette an Wohnformen. Die Bandbreite reicht von seniorengerechten Umbauten in der eigenen Wohnung über Betreutes Wohnen, Senioren- und Pflegeheimen bis hin zu Wohngemeinschaften. Man kann zu Hause mit ambulanter Pflege wohnen oder in einem Mehrgenerationenhaus. Es gibt Kleinvorhaben mit bis zu zehn Parteien oder Großvorhaben. Da gibt es neben WGs auch Pflege-Wohngemeinschaften, die selbst organisiert sein können, oder aber auch durch einen Träger verwirklicht werden. Hier leben vier bis maximal acht Bewohner zusammen, jeder hat ein eigenes Zimmer. Hinzu kommen die gemeinschaftlich genutzten Räume wie Küche, Wohn- und Besucherzimmer.

jetztWIR: Und wie weit ist man mit der Umsetzung?

Gerhard Christoph: In großen Städten gibt es schon manche Ansätze wie Mehrgenerationenhäuser, barrierearme Wohnungen oder erste Angebote für Senioren-WGs. Aber in den ländlichen Gebieten gibt es noch viel zu tun. Gerade hier sind die Modelle wie Wohngemeinschaften sehr interessant, da sie nicht nur für Betreuung und Pflege, sondern auch für soziale Kontakte sorgen.

jetztWIR: Wenn ich meine Wohnung seniorengerecht umbaue oder gar eine Wohngemeinschaft gründe, kommen ja nicht unerhebliche Kosten auf mich zu. Gibt es da Unterstützung?

Gerhard Christoph: Ja, da gibt es eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten, über die wir Wohnberater informieren. Da gibt es beispielsweise das Programm „Altersgerecht umbauen“ von der KfW-Bank. Das neue Pflegestärkungsgesetz sieht ab Pflegegrad 1 eine einmalige Zahlung für WG und Pflege-WG vor. Und es gibt Förderprogramme der Bundesländer mit zinsverbilligten Darlehen oder Zuschüssen. Auch Renten- oder Krankenversicherung bezuschussen im Einzelfall.

jetztWIR: Welches Leitbild verfolgen Sie als ehrenamtlicher Wohnberater?

Die leitenden Schlagworte meiner Arbeit sind: Den Menschen zu ermöglichen, so lange selbstständig, eigenständig und eigenverantwortlich zu leben wie möglich. Sie sollen selbstbestimmt bis zum Lebensende leben und länger in der eigenen Wohnung bleiben. Außerdem gilt die Prämisse: ambulant vor stationär.

jetztWIR: Welchen Tipp geben Sie Bauherren mit auf den Weg?

Gerhard Christoph: Wenn man heute neu baut, sollte man schon die Zukunft im Blick haben. So vermeidet man spätere Umbauten. Und schon Kleinigkeiten können das Leben später ungemein erleichtern. Gut ist es, Stufen innerhalb der Wohnung zu vermeiden und für einen barrierefreien Zugang zu sorgen. Bodenebene Duschen sind heute sowieso ein Trend. Fernbedienungen für Rolläden und Heizung, Bodenlicht oder Handläufe an den Treppen erleichtern auch schon in jungen Jahren den Alltag.

jetztWIR: Und werden diese Tipps berücksichtigt?

Gerhard Christoph: Leider viel zu wenig. Ich höre noch von 70- oder 80-Jährigen, dass sie momentan keinen Bedarf für eine Umgestaltung ihrer Wohnung sehen und sich später melden wollen. Doch dann kann es zu spät sein. Und Jüngere bauen gerade so, wie es ihnen gefällt.

jetztWIR: Wie wird man mobiler Wohnberater?

Gerhard Christoph: Das ist eine ehrenamtliche Ausbildung, die vom Land Rheinland-Pfalz bis Ende 2016 angeboten wurde. Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat sie initiiert, sie wohnt ja in einer Neuen Wohnform in Trier. Derartige Initiativen gibt es in allen Bundesländern, doch jedes handhabt es ein bisschen anders.

Weitere Informationen unter: www.seniorenrat-ludwigshafen.de