© Werner Jakobartl

Wo liegt Vercours? E-Bike-Touren durch unbekanntes Gebiet

Diesen Gebirgsstock im äußersten Westen der französischen Alpen müssen selbst viele Franzosen zunächst einmal auf der Karte suchen. Das liegt zum einen daran, dass der Vercors Grenzgebiet – an der schweizerischen und an der italienischen Grenze – ist. Und dass es zum anderen die dünn besiedelste Region von ganz Frankreich ist. Selbst der Tourismus hat viele Jahre lang das Gebiet gemieden.

Seit ein paar Jahren ist es durch ein »neues« Fortbewegungsmittel jedoch interessant geworden. Dem E-Bike. Man kann in diesem hügeligen, einsamen und teilweise unwegsamen Gebiet stundenlang mit dem E-Bike unterwegs sein und begegnet keiner Menschenseele. Es ist bergig, aber nicht steil; das heißt, es ist kein Problem hier Tagestouren von 50 bis 70 Kilometern zu absolvieren. Vorausgesetzt der Akku hält durch. Die vorhandenen Straßen sind im Vercors keine Radwege; es sind die in Frankreich immer etwas breiter angelegten Landstraßen selbst. Normalerweise sollte man auf französischen Landstraßen mit dem Fahrrad nur sehr vorsichtig unterwegs sein. Im Vercors ist dies aber kein
Problem. Es kommt einfach kein Auto.

Aufgrund der eingeschränkten Nutzbarkeit der Gegend für Landwirtschaft und Industrie befindet man sich im mit 170 Quadratkilometern größten Naturschutzgebiet Frankreichs. Erst im 20 Jahrhundert wurden mit Felssprengungen einige Regionen überhaupt für den Straßenverkehr erst zugänglich gemacht. Die E-Bike-Tour ist kurvenreich und an jeder Ecke mit einer tollen Aussicht versehen. Man nimmt wahr, wie vielfältig die Natur und Landschaft an der Baumgrenze sind.

Es sind etliche Höhenmeter zu bewältigen; und unterwegs gibt es keine Möglichkeiten einzukehren. Man ist auf sich alleine gestellt. Eben genau das, was man will: Keine Menschenseele, stundenlang. Man hat einen wunderbaren Ausblick von den Felsen des Combe Laval auf das 600 m darunterliegende Tal. Weiter geht es durch den Wald Forêt de Lente, der einst eine Rückzugszone für die französische Resistance war. Hier haben deutsche Soldaten im Juni 1944 schwere Kriegsverbrechen Resistancekämpfern verübt. Dann Richtung Cal de la Bataille mit seinem außergewöhnlichen Panorama: Royans auf der einen, Omblèze auf der anderen Seite. Von dort geht es zum Dorf Léoncel, mit der 1137 gegründeten Zisterziensabtei.

Kombinieren Sie E-Bike und Auto
Der organisatorische Aufwand für eine mehrtägige Urlaubstour in dieser Gegend ist nicht zu vernachlässigen. Hotels und Restaurants sind rar gesät. Und die Möglichkeit, an einem Ort zu parken und im Kreis eine Tagestour zu fahren, ist ebenfalls nur schwer organisierbar. Dazu gibt es zu wenig Straßen. Daher ist ein externer Transport von E-Bikes und Radfahrern an bestimmte Stellen als Startpunkt mit dem Hotel als Ziel sehr empfehlenswert.

Auf der Strecke ist es himmlisch. Die Straßen sind gut ausgebaut, sicher und mit viel Platz versehen. Die Ausblicke sind atemberaubend, und jede Kurve bietet neue Einblicke. Man kann sich hier auf Abfahrten mit mehr als 10 Kilometern freuen, oder über die Auffahrten ärgern. Selten hat man ganze Straßen derartig für sich. Man denkt, man sei an einem autofreien Sonntag unterwegs.

Wenn die Franzosen merken wo das Vercors liegt, dann würden mehr Menschen dort Urlaub machen. Aber vielleicht ist das so ohne Menschen auch ganz in Ordnung.

© Werner Jakobartl