Ostseebad Ahrenshoop mit Grimmelei im Abendlicht · © Voigt & Kranz UG
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Lichtspiele zwischen Ostsee und Bodden

Die Naturstimmungen auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst faszinieren die Menschen seit jeher. Zwei Künstler erzählen, wie sie das besondere Licht für ihre Arbeit nutzen und welche Orte sie inspirieren.

Die mattgold glitzernden Wellen der Ostsee. Windflüchter, die abends ganz kurz tieforange leuchten. Ein Sommermittag am Boddenhafen, wenn die Sonne dem Schilf und dem Wasser die Farben entzieht. Die Welt wird für eine Weile zum Pastell – bis am Spätnachmittag die kraftvollen Töne mit Wucht zurückkehren. Die Menschen, die auf Fischland-Darß-Zingst leben oder Urlaub machen, lieben und genießen das besondere Licht der Halbinsel. Denn die intensiven Stimmungen, die durch das viele Wasser und seine Spiegelungen, die schnellen Wetterwechsel und die saubere Luft entstehen, tun der Seele einfach gut. Sie entspannen, können zu neuen Gedanken inspirieren, der Kreativität Raum geben – und das in einer ohnehin einzigartigen Landschaft mit Dünen, Sandstränden, Küstenwäldern und Schilfgürteln.

Ende des 19. Jahrhunderts entstand auf der Halbinsel die berühmte Künstlerkolonie Ahrenshoop. Interessant sind hier unter anderem der Kunstkaten, das Kunstmuseum und der Kunstpfad, aber natürlich lohnt auch ein Blick in die Galerien der anderen Orte. In Zingst etwa hat sich durch die Erlebniswelt Fotografie mit ihrem Kurs- und Ausstellungsangebot eine kreative Fotografieszene etabliert. Spannend sind auch das Umweltfotofestival »horizonte« im Frühjahr und der „Aktive Fotoherbst”. Martin Harms aus Zingst gehört zu den Landschaftsfotografen, die auf dem ganzen Darß ihre Motive suchen und finden. Am liebsten ist er bei dramatischen Wetterlagen und Lichtstimmungen am Darßer Weststrand im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft unterwegs. Vor gut zehn Jahren hat der Autodidakt sich die erste Spiegelreflexkamera gekauft und Fotokurse in Zingst besucht – mittlerweile gibt er selbst welche. Harms liebt die Natur, als Angler kennt er den Zauber der Stunde vor Sonnenaufgang. Er sagt: „Hier bei jeder Jahreszeit draußen zu sein und zu fotografieren, das entschleunigt mich.” Martin Harms fasziniert, dass jeder Sturm die Landschaft ummodeliert, dass nichts bleibt, wie es ist. Die kahlen Gerippe umgefallener Windflüchter – von Bäumen also, deren Krone der Wind in Landrichtung gekämmt hat – sind eines seiner Lieblingsmotive.

© Max Framke
Der Strand von Dierhagen · © Max Framke

Ein zurückhaltender Umgang mit der Schönheit ihrer Heimat liegt auch Carola Pieper am Herzen. Die Malerin lebt mit ihrer Familie in Ahrenshoop, in einem reetgedeckten Häuschen, das von einem Garten mit Obstbäumen und altem Bootszeug umgeben ist. Ihr Mann Jens restauriert nämlich Fischerjollen vom Bodden, verleiht diese Boote und organisiert auch Törns. Carola Pieper segelt oft mit auf den nostalgischen Holzbooten und malt. „Ich habe schon auch andere Motive”, sagt sie. „Aber das hier ist eben mein Alltag.” Da sitzt sie dann mit ihrer Leinenschürze im Schatten des Segels, schaut konzentriert auf den Bodden hinaus, beobachtet die Lichtreflexionen auf der Wasseroberfläche, das schnell wechselnde Spiel von Licht und Schatten – und aus der Schellack-Tuschpipette scheinen die Motive nur so aufs Papier zu fließen. Dunkle Linien, Tropfen, auf den ersten Blick sehr flüchtig. Und doch erkennt man genau, was Piepers Augen gesehen haben: Zeesboote, Wind, einen weiten Horizont.

Die Bilder, die die Künstlerin zu Hause manchmal weiterbearbeitet, sind minimalistisch, erinnern in ihrer Einfachheit ein bisschen an japanische Haiku-Gedichte. Sie lacht, wenn man ihr das sagt. „Stimmt schon”, meint sie dann, „ich schreibe ja auch irgendwie mit, überlasse manches dem Zufall, aber am Ende erzählen meine Linien auch etwas.” Kunst, das ist für Carola Pieper wie eine Meditation, ein Dialog zwischen ihr und der Welt. „Durch die Augen rein und durch die Fingerspitzen raus”, sagt sie – so, als ob das eigentlich ganz einfach wäre.

Und die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst – mit ihren wilden Dünen und endlosen Stränden, den ausgedehnten Wäldern und dem vielen, vielen Wasser – ist ein besonders schöner, liebenswerter Flecken Erde, zu jeder Jahreszeit mit ganz eigenen Naturstimmungen. Jetzt im Sommer geht Carola Pieper gern durch die blühenden Wiesen und das Schilf am Wasser. Durch die in der Sonne leuchtende Weite dieses vom Licht so geliebten Landstrichs.